Der Luftangriff auf Celle und das Schicksal der KZ Häftlinge aus Drütte - April 1945

Die vorliegende Monographie entstand im Auftrag der Stadt Celle. Als Auftragsarbeit wurde sie jedoch keineswegs auch zu einer Routinearbeit. Zu erschütternd sind die zu schildernden Ereignisse, um denjenigen, dem diese Aufgabe oblag, unberührt zu lassen. Wenn ich mich dennoch um eine betont sachliche und emotionslose Form der Darstellung bemüht habe, so geschah dies in der Überzeugung, daß die bloßen Fakten für sich sprechen.
Danken möchte ich jedem, der Anregungen und Informationen beisteuerte oder wichtige Kontakte vermittelte. Neben zahlreichen Einzelpersonen haben mich folgende Institutionen bei meinen Nachforschungen unterstützt: die Amicale Internationale de Neuengamme, die Arbeitsgemeinschaft Neuengamme für die Bundesrepublik e.V., der Arbeitskreis "Grabe wo du stehst" des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Kreis Celle, der Arbeitskreis Stadtgeschichte e.V., Salzgitter, der Army Historical Branch des britischen Verteidigungsministeriums, das Dokumentenhaus der Gedenkstätte Neuengamme, die Forschungsstelle für die Geschichte des Nationalsozialismus in Hamburg, das Historical Research Center im Hauptquartier der US-Luftwaffe sowie das Stadtarchiv Celle.
In besonderem Maße zu Dank verpflichtet bin ich aber den Celler Bürgern, die bereit waren, mir ihre eigenen Erinnerungen an den Luftangriff vom 8. April 1945 und das darauffolgende Massaker unter den Insassen eines von Bomben getroffenen KZ-Zuges mitzuteilen. Diese Erinnerungen sind schmerzlich, aber sie müssen bewahrt werden, denn sie können dazu beitragen, daß ähnliches wie damals nie wieder geschieht.
Celle, im Juni 1989

Inhaltsverzeichnis

Vorwort .......................................................................................5
Darstellung ..................................................................................9
Anhang ......................................................................................21
1. Stadtplan von Celle im Jahre 1936 .............................................21
II. Auszüge aus dem Kriegstagebuch der 9. US-Luftflotte
vom 8. April 1945 ........................................................................23
a) Deckblatt der Einsatzakte .........................................................23
b) Übersicht der Nachmittags-Einsätze der 9. Bomber-Division..........24
c) Wetterlage ...............................................................................26
d) Einsatzbericht der 322., 344. und 391. Bomb Group ..... ...... .......27
e) Feindeinwirkung .......................................................................30
III.Die Wirkung des Luftangriffs .....................................................30
Anmerkungen .............................................................................33
Quellen- und Literaturverzeichnis...................................................37
[7]

Darstellung

Der 8. April 1945 war ein warmer, sonniger Frühlingstag. Am Himmel zeigte sich keine Wolke (l). Es herrschte ideales Fliegerwetter.
Bereits am frühen Morgen hatte es in Celle Voralarm gegeben, doch daran war nun gewöhnt und kümmerte sich kaum noch darum. Seit Monaten wurde die Stadt fast täglich von alliierten Bomberpulks überflogen, die auf dem Weg nach Mitteldeutschland waren. Dabei hatten sie Celle bisher verschont. Lediglich einmal, sechs Wochen zuvor, war der Güterbahnhof angegriffen worden, aber auch damals, am 22. Februar, hatte es sich nur um eine einzelne Staffel von acht amerikanischen B-24 Liberator gehandelt, die ein "Target of Opportunity" gesucht hatten (2). Wohl niemand glaubte, daß Celle noch das Ziel eines planvollen Großangriffs werden sollte.
Die Front rückte näher, wie man an untrüglichen Zeichen erkennen konnte. Die Soldaten in den Celler Kasernen lagen schon seit fast einer Woche in erhöhter Alarmbereitschaft und rechneten damit, zur Nahverteidigung der Stadt eingesetzt zu werden (3). Der Standortälteste und Befehlshaber, Generalmajor Paul Tzschöckell, hatte das Proviantamt in der Alten Grenzstraße - heute Alte Grenze - räumen lassen, damit dessen Vorräte nicht in Feindeshand fielen (4) und so kam die Bevölkerung nun in den Genuß einer Sonderzuteilung von Lebensmitteln, obwohl es Sonntag war (5). Aus dem Wehrmachtsbericht vom Vortag (6) wußte man zudem, daß die schwache deutsche Abwehrfront an der Weser durchbrochen war und daß die Alliierten über Hameln hinaus weiter nach Osten vorstießen. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie auch Celle erreicht haben würden (7). Die hier bislang noch aufrechterhaltene Ordnung begann, sich aufzulösen. Bei der Trüller-Keksfabrik kam es, wie es scheint, zu ersten Plünderungen (8), und auch die Fremdarbeiter, die in den herannahenden Briten und Amerikanern ihre Befreier sahen, wurden zunehmend unruhig (9).
Gegen Mittag sichtete man einzelne Flugzeuge - offenbar Aufklärer - über der Stadt, aber auch das war nichts Neues, seitdem die Alliierten die Luftherrschaft über Deutschland besaßen (10). Mehr Beachtung fanden die Ereignisse im Südosten, wo die Ölförderungsanlagen bei Nienhagen bombardiert wurden (11) und klar erkennbar brannten (12). Die Bereitschaft der Celler Feuerwehr rückte aus, um bei der Schadensbekämpfung zu helfen (13).
Im Zusammenhang mit den Angriffen auf Nienhagen, die während des Nachmittags anhielten, wurde auch die von Gifhorn nach Celle führende Eisenbahnstrecke von feindlichen Bombern überflogen (l4). Dies bewog den Bahnhofsvorsteher in Celle, einen bei Wienhausen befindlichen und für Bergen-Belsen bestimmten Zug von der bedrohten Strecke holen zu lassen. Etwa um 16 Uhr wurde der Zug daher auf Gleis 9 des Celler Güterbahnhofs rangiert. Bevor nun aber in der Chronologie dieses Tages fortgefahren wird, ist es erforderlich, darauf einzugehen, was es mit dem Transport auf sich hatte, der so nach Celle gelangt war. Dabei enthüllte sich ein Kapitel der noch weithin im Dunkeln liegen- [8] den Geschichte der Evakuierung der Außenkommandos des KZ Neuengamme (15).
Drei dieser Außenlager bestanden im Gebiet der heutigen Stadt Salzgitter (16). Das größte davon war das KZ Drütte, dessen Häftlinge von der SS im Komplex der "Reichswerke Hermann Göring" zur Herstellung von Flakmunition und Bomben eingesetzt wurden. Menschen fast aller europäischen Nationalitäten mußten hier Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsproduktion leisten: Die größten Kontingente stellten Russen, Ukrainer und Polen, dann kamen Franzosen und Holländer, Deutsche und Tschechen, Jugoslawen, Ungarn, Belgier, Dänen und Italiener sowie auch Bulgaren, Griechen, Spanier, Letten und andere (17). Hauptsächlich aus Polen, Deutschland und den Balkanländern stammte eine größere Anzahl von Juden (18).
Unter den Lagerinsassen herrschten Siechtum und Tod, verursacht durch "systematische Unterernährung bei gleichzeitiger schwerer körperlicher Überarbeitung mangelhafte Unterkünfte und fehlende Kleidung als Schutz vor Kälte" (19). Aus dem letzten Bericht des SS-Standortarztes von Neuengamme (20) geht hervor, daß sich am 25. März 1945 in Drütte 2862 Häftlinge - und zwar nur Männer - befanden. Während der folgenden Tage verringerte sich diese Zahl etwas, da weiterhin Gefangene vor Entkräftung starben, andere aber auch von ihren Bewachern erschlagen und erschossen wurden (21). Die übrigen wurden in der Nacht vom 7. auf den 8. April evakuiert. Einer der Betroffenen erinnert sich, in welcher Form dies geschah:
"Wir waren alle sehr heruntergekommen. Es gab keine Wäsche, kein Zeug, keine Schuhe. Die meisten waren barfuß. Wir wurden in offene Wagen verladen. Es war ein Zug mit ungefähr 60 Waggons. In der Mitte des Zuges blieb ein leerer Waggon. Für die Leichen, die wir unterwegs hatten. Als sich dieser Waggon immer mehr mit Leichen füllte, die Arme und Beine über die Ränder herausragten, wurde auf freier Strecke Halt gemacht. Von uns wurden Leute kommandiert, die eine Grube graben mußten, wo wir die Leichen verbuddeln mußten." (22)
Der Transport umfaßte aber nicht nur die Häftlinge von Drütte. Dies wird durch verschiedene Umstände belegt. So erinnert sich einer der Insassen Drüttes, dort in der ersten Aprilwoche einige hundert Frauen gesehen zu haben, die unter strenger Bewachung weiblicher SS-Angehöriger standen (23). Daß sich auf dem Evakuierungszug auch weibliche Gefangene befanden, wird von weiteren Zeugen bestätigt (24). Hinsichtlich der Gesamtstärke des Transportes schließlich stimmen alle Aussagen dahingehend überein, daß diese ungefähr 4000 Personen betragen habe, also deutlich mehr als die Belegung Drüttes nach dem oben angeführten Bericht von Ende März. Woher aber kamen die Menschen, die allem Anschein nach unmittelbar vor der Räumung Drüttes dorthin gebracht worden waren?
In der Nähe Drüttes existierten, wie bereits erwähnt, noch zwei andere Außenlager von Neuengamme. In Leinde befanden sich Häftlinge beiderlei Geschlechts (25), darunter eine Gruppe junger Jüdinnen im Alter von 14 Jahren auf- [10] wärts (26), Salzgitter war ein reines Frauenlager (27). Am 25. März wurde die Zahl der zu diesen beiden Außenkommandos gehörenden weiblichen Gefangenen mit insgesamt 1199 angegeben (28), was sich auffallend genau mit der Differenz zwischen der damaligen Belegung Drüttes und dem Umfang des Transportes deckt, der von dort in der Nacht zum 8. April abging. Demnach wurden die Frauen und Mädchen von Leinde und Salzgitter vermutlich Anfang April geschlossen nach Drütte verlegt, wo ein Zug zusammengestellt wurde, der sie nach Bergen-Belsen weiterbefördern sollte. Auf jeden Fall wurde zumindest ein Teil von ihnen - soviel läßt sich mit Gewißtheit sagen - zusammen mit den Gefangenen des KZ Drütte evakuiert, als die Kriegslage dies zu erfordern schien, und traf daher ebenfalls am Nachmittag des 8. Aprils 1945 auf dem Güterbahnhof in Celle ein (29).
Hier hatte der Häftlingszug nun einen längeren Aufenthalt, weil seine bisherige Lokomotive entschlacken und Kohle laden mußte und deshalb gegen eine andere ausgewechselt werden sollte (30). Von den Straßen westlich des Bahngeländes aus sah man die offenen Güterwaggons, auf denen Menschen in einer den meisten Cellern unbekannten gestreiften Kleidung zusammengepfercht waren (31) - und man sah auch, wie von Zeit zu Zeit in Decken gehüllte leblose Gestalten fortgetragen wurden (32). SS-Leute, die den Transport begleiteten (33), schirmten den Bereich ab, holten von einem nahgelegenen Haus aber wenigstens Wasser für die Erschöpften, teilweise offenbar seit Tagen nicht mehr verpflegten Gefangenen (34). Auch die Ausgabe von Brot und Margarine wurde angekündigt, nachdem der Austausch der Lokomotiven erfolgt war (35). Um 18.15 Uhr sollte dann die Fahrt nach Belsen fortgesetzt werden (36). Hierzu kam es indessen nicht mehr. Gegen 17.45 Uhr heulten wieder die Luftschutzsirenen los (37). Gleichzeitig vernahm man zum ersten und einzigen Male während des Krieges in Celle Flakfeuer. Es stammte von den Geschützen, die erst seit ein paar Wochen auf dem Flughafen Wietzenbruch standen, und galt Bombern, die aus allgemein westlicher Richtung anflogen. Der damals l5jährige Ingo Grothe verfolgte das Geschehen vom Grundstück seiner Eltern in der Riemannstraße aus:
"Die sind also beschossen worden und haben sich da gar nicht drum gekümmert. Die flogen übrigens gar nicht so sehr hoch, ich würde mal sagen: 2000 Meter Höhe, und flogen glücklicherweise aber bei uns vorbei und zogen in Richtung Nienhagen. Ehe sie dann dort bombardierten, hörten wir aber wieder starkes Motorengeräusch, und dieses Mal aus dem Norden kommend, und sahen das, was ich eigentlich immer befürchtet hatte nach Überlegungen mit meinem Vater, dass nämlich, wenn man in Celle etwas militärisch Interessantes angreifen wollte, dann wären es ja nur die Bahnanlagen, und dann würde man einen optimalen Angriff eigentlich fahren können ohne Zielprobleme, wenn man sich genau über der schnurgeraden Eisenbahn von Norden oder von Süden einsteuert. Das war hier der Fall." (38)
Was da kurz vor 18 Uhr auf Celle zukam, waren drei komplette Bombergeschwader der 9. US-Luftflotte - insgesamt 132 zweimotorige Maschinen vom Typ B-26 Marauder mit einer Last von alles in allem 240 Tonnen Sprengbomben an [11] Bord (39). Ihr Ziel waren tatsächlich die Bahnanlagen, und zwar ursprünglich anscheinend im Bereich des Hauptbahnhofs mit den dortigen Brücken und Unterführungen, deren Zerstörung natürlich besonders effektiv sein mußte, wenn es darum ging, die Verkehrsverbindungen zu unterbrechen. Obwohl nach wie vor klare Sicht herrschte, konnte der Bombenschütze des Führungsflugzeuges diese Objekte jedoch nicht erkennen und verlagerte deshalb den Angriffsschwerpunkt weiter nach Süden, zum Güterbahnhof, wo er zahlreiche Waggons ausmachte. Diese gehörten, soweit es sich rekonstruieren läßt, zu einem Personenzug der Wehrmacht (40), einem Munitionszug und eben dem Häftlingstransport, der noch immer auf Gleis 9 stand. Einer der Gefangenen schildert, was sich hier nun abspielte:
"Wir sahen die Bomben fliegen aus der Luft. Es gab eine Panik. Wie ich im Maschendraht eines Hühnerstalles gelandet bin, weiß ich nicht. Die SS schoß auf uns. Es galt für uns nur Leben oder Tod!" (41)
Einige der Waggons erhielten sofort Volltreffer. Zu der Wirkung der Bomben kam noch diejenige explodierender Munition vom Zug auf dem Nebengleis. Häftlinge und Wachen versuchten, sich aus dem Inferno zu retten. Dies gelang vielen jedoch nicht. Bereits nach wenigen Minuten gab es offenbar Hunderte von Toten und Verwundeten.
Auch in der Umgebung des Güterbahnhofs forderten die Bomben ihre Opfer. Gleich die ersten Abwürfe hatten ein Fremdarbeiterlager in der Riemannstraße in ein Trümmerfeld verwandelt. Es wird geschätzt, daß mindestens 30 Menschen dabei den Tod fanden (42). Andere "stray bombs" (43), die in das Gebiet westlich der Bahnanlagen fielen, zerstörten und beschädigten Häuser, deren Bewohner den öffentlichen Bunker an der Heese wegen der Kürze der Zeit zwischen dem Alarm und dem Erscheinen der dann Nienhagen ansteuernden Flugzeuge nicht mehr hatten aufsuchen können und sich darum in ihren nur notdürftig verstärkten Kellern aufhielten. So auch Ingo Grothe und seine Familie:
"Die Motorengeräusche waren selbst im Keller zu hören, und es dauerte nur noch, als wir im Keller waren, einige 'zig Sekunden, ehe dann ein fürchterlicher Krach begann und die Einschläge direkt um uns 'rum zu liegen schienen. Ich möchte daher schon noch sagen, daß die stärksten Einschläge aus unserer Sicht in der Riemannstraße gleich am Anfang dieses Angriffes, der ja in mehreren Wellen durchgeführt wurde, gelegen haben, und das Haus ... schwankte hin und her. Wackelte nicht, schwankte, muß man besser sagen, wie ein Schiff auf See und richtete sich aber immer wieder schön auf. Die Balken kamen 'runter, und alles war voll Staub. Man konnte nichts mehr sehen. Die Fensterbefestigung ... wurde zum Teil eingedrückt, so daß wieder ein Streifen Licht zu sehen war. Und wir konnten also, muß ich sagen, schwer atmen, weil die ganze Luft ein einziger Staub war. ... Mein zehn Jahre jüngerer Bruder schrie und wollte immer 'raus usw., usw. Es war also da ein Chaos." (44)
In keiner besseren Lage befanden sich die Anwohner nördlich und östlich des Güterbahnhofs. Auch hier mangelte es an hinlänglich ausgebauten Schutzräumen, so daß vor allem im Gebiet zwischen Bahnhofstraße - damals Hindenburg- [12] Straße -, Fuhsestraße und Fuhse viele Opfer zu beklagen waren (45). Schon in der Anfangsphase des Angriffs wurden neben Wohnhäusern auch Industriebetriebe und das städtische Gaswerk an der Marienstraße getroffen.
Als dann die Maschinen des zweiten Marauder-Geschwaders über Celle waren, kam es zu einer gewaltigen Explosion - vermutlich im Gaswerk, das nun fast völlig zerstört wurde (46) -, und die damit verbundene Rauchentwicklung nahm den Bombenschützen der nachfolgenden Wellen die Bodensicht. Dies veranlaßte eine Kette des dritten Geschwaders, das bisherige Zielgebiet zu überfliegen. Ihre Ahwürfe schlugen weiter südlich, am Bahnübergang Mondhagen, ein (47). Nach etwa siebzig Minuten war alles vorbei (48). Arnold Linke, ein erst kurz zuvor aus dem Posener Gebiet nach Celle gekommener Schüler der Lehrerbildungsanstalt, erlebte das Ende des Angriffs in der Kirchstraße:
"Als das Motorengeräusch der abfliegenden Bomber leiser wurde, wagte ich mich als einer der ersten aus dem Keller, sah dabei das ganze Elend. In der Nähe wimmerte eine Frauenstimme etwa: Helft mir, ich liege unter der Tür. Aber vor lauter Trümmern war da keine Tür zu sehen von dem ehemaligen Haus Kirchstraße Nr. 39. Ich beseitigte mit den Händen Balken und Schutt, legte teilweise ihren Körper frei. Dabei sah ich ein blutiges, abgequetschtes Bein, welches nur noch lose am Körper hing. Indessen kamen weitere Leute, gruben mit. Ich lief, um einen Krankenwagen zu holen, in Richtung Bahnhof. Aber da auch dort alles kaputt war, nahm ich meinen Weg in Richtung Innenstadt. Dabei wollte ich vor einem zertrümmerten Hause (jetzt Hotel Sattler) hinter einem Erdwall durch eine Wasserpfütze springen. Es war ein Bombentrichter, in den ich hineintauchte. Weiter lief ich in nasser Kleidung bis zur Kreisleitung in der Trift, meldete dort das Vorgefallene und bat um Hilfe. Aber da gab es nichts zu helfen, die Parteigenossen standen herum und waren wie wir alle meist hilflos." (49)
In der Tat gab es keine organisierte Hilfe. Zwar kehrte die bei Nienhagen im Einsatz befindliche Celler Feuerwehr sofort nach dem Beginn des Luftangriffs zurück, um die Brandbekämpfung in ihrer Heimatstadt aufzunehmen (50). Auch wurde eine HJ-Abteilung, die zur Vorbereitung auf eine militärische Verwendung tags zuvor ein "Bannausbildungslager" in der Hehlentorschule bezogen hatte, mit Lastwagen zum Güterbahnhof gefahren, wo sie sich an den Rettungsarbeiten beteiligte (51). Eine Koordination und planvolle Leitung der Räumungs- und Bergungsmaßnahmen erfolgte jedoch weder von seiten der Partei, noch der Stadtverwaltung oder der Wehrmacht. Im wesentlichen blieb es den aus Kellern und Unterständen hervorkommenden Überlebenden des Angriffs überlassen, das ihnen jeweils erforderlich Scheinende zu tun, wie es einer von ihnen beschrieb:
"Es ging nach dem Motto vor >Jeder ist sich selbst der Nächste<. Und besonders Familien mit Kindern guckten nicht rechts und nicht links und versuchten, sich irgendwo an Land zu bringen." (52)
Dies galt speziell für die Bewohner der westlich der Bahnlinien gelegenen Straßen, die sich weitgehend von der Innenstadt abgeschnitten sahen, da sowohl die Unterführung der Wiesenstraße zur Heese als auch die der Bahnhofstraße zur [13] Neustadt eingestürzt waren. Dabei hatten die Trümmer der letzteren 20 bis 30 Unglückliche unter sich begraben, die hier trügerischen Schutz vor den Bomben gesucht hatten (53).
Wieviele Menschen insgesamt bei dem Angriff vom 8. April 1945 starben beziehungsweise später noch ihren dabei erlittenen Verletzungen erlagen, ist niemals genau ermittelt worden. Im einschlägigen Verwaltungsbericht der Stadt Celle ist von etwa 800 Toten die Rede (54). Offensichtlich handelt es sich dabei aber nur um einen Teil der Opfer, nämlich wohl um diejenigen Personen, die identifiziert werden konnten respektive später als vermißt gemeldet wurden, also vornehmlich Celler Bürger, Ostflüchtlinge und Soldaten, die in den betroffenen Wohngebieten ihr Leben verloren. Bei nicht weniger als 302 zerstörten oder doch stark beschädigten Wohnhäusern (55) - hauptsächlich in der Kirch-, Bahnhof-, Fuhse- und Uferstraße, in Altenhäusen sowie in der förmlich ausradierten Marienstraße, die heute eingezogen und Teil der Stadtwerke ist -, erscheint dies durchaus plausibel.
Niemand zählte allerdings die vielen unbekannten Toten im Bereich des Güterbahnhofs (56), wo man noch nach Wochen und Monaten unbestattete Leichen und Leichenteile fand (57). Dies waren Fremdarbeiter, Angehörige der Wehrmacht und SS, vor allem aber die KZ-Häftlinge des Transportes aus Drütte. Ungefähr die Hälfte der Gefangenen, eher mehr als weniger, kam bei dem Luftangriff ums Leben (58). Einen nicht geringen Teil der übrigen ereilte der Tod aber auch noch anschließend.
Es wurde bereits gesagt, daß die den KZ-Zug begleitende Wachmannschaft (59) sofort nach dem Einschlagen der ersten Bomben das Feuer auf davonlaufende Häftlinge eröffnete. Um den Flammen und den anhaltenden Explosionen, aber auch der SS zu entkommen, flohen die hierzu noch fähigen Gefangenen vom Gelände des Güterbahnhofs. Dabei wandten sich die meisten nach Westen, wo sie den Rand des etwas mehr als einen Kilometer entfernten Neustädter Holzes sehen konnten. Doch auch stadteinwärts, bis hin zur Jägerstraße (60) und zur Trift (6l), irrten plötzlich ausgemergelte und zum Teil blutüberströmte Gestalten umher, die man wegen ihrer Kleidung häufig für entsprungene Zuchthäusler hielt (62). Auf der Suche nach Schutz, etwas zu essen und weniger verräterischen Sachen zum Anziehen drangen sie vielfach in Läden und in Privathäuser ein, deren Bewohner sich während der Dauer des Luftangriffs in ihren Kellern aufhielten (63). Als dann die Bombengefahr vorüber war, hatte mancher Celler eine Begegnung wie Elisabeth Henschel, die in der Sophie-Dorothee-Straße wohnte:
"Nun kamen wir erstmal nach oben, war keine Tür mehr drinnen. Türen und Fenster waren alle durch den Druck von Bomben, war alles 'raus, die ganzen Fensterscheiben 'raus. Die waren bis zum Herd hin gefallen, die lagen alle auf diesen Bratkartoffeln und auf den Koteletts. Und denn stand da so ein kleiner Mann, der hatte mehr Angst wie ich vielleicht, nicht? Ich weiß es nicht, und ich weiß auch nicht mehr, was ich gesagt habe. Er sagte bloß jedenfalls, wie ich mit meinem Jungen da 'reinkam: ,Ich auch so einen großen Jungen haben.?" (64)
Die Reaktionen auf ein solches Zusammentreffen waren unterschiedlich. Es [14] kam vor, daß man Häftlinge gewähren ließ, wenn diese sich an Essen, Trinken und Zivilkleidung nahmen, was sie fanden (65), oder daß man zumindest nicht verhinderte, daß sie sich in einen Keller flüchteten (66). In anderen Fällen dagegen wurden sie umgehend wieder auf die Straße hinausgetrieben (67). Trotz aller Uneinheitlichkeit des Verhaltens, läßt sich eines jedoch feststellen: Bedroht fühlte man sich im allgemeinen anscheinend nicht von den Fremden, denen es ganz offensichtlich nur darum ging, sich in Sicherheit zu bringen (68).
Dies war für sie allerdings auch dringend geboten. Die SS hatte die Verfolgung der Flüchtigen aufgenommen, und sie ging dabei mit der ihr eigenen Brutalität vor. Erbarmungslos machten die Männer mit den charakteristischen Totenköpfen auf den Kragenspiegeln von ihren Karabinern und Pistolen Gebrauch (69). Ein Vorfall in der Sophie-Dorothee-Straße steht exemplarisch für viele, die sich gleichzeitig ereigneten. Hier erklangen plötzlich Trillerpfeifen - offenbar als Signal für die in den anliegenden Häusern befindlichen Häftlinge, sich im Freien zu sammeln. Elisabeth Henschel erinnert sich weiter:
"Wie die 'rauskamen, die wurden gleich erschossen. Die lagen denn vor der Tür. Und über die Straße weg, da war ein Laternenpfahl, da saß einer, der hatte keine Beine mehr. Der schrie bloß immer: ,Wasser! Wasser!? Der wollte etwas zu trinken haben. Aber wir konnten doch nicht, wir durften doch nicht. Und die Jungens, die wollten immer ... Ich sagte: ,Geht da nicht hin!?" (70)
Bei der Jagd auf ihre entkommenen Gefangenen blieben die SS-Leute aus Drütte nicht lange allein. Wegen der unübersichtlichen Verhältnisse, die in der Stadt herrschten, und wegen des Nebeneinanders vieler isolierter Ereignisse kann nicht im einzelnen nachgezeichnet werden, was sich in Celle an jenem 8. April und den darauffolgenden Tagen abspielte. Anscheinend sahen sich jedoch mehrere Stellen veranlaßt, Maßnahmen zu ergreifen, um die KZ-Häftlinge wieder zusammenzutreiben beziehungsweise um Bemühungen zu diesem Zweck zu unterstützen.
Welche Rolle die Partei und ihre Gliederungen dabei spielten, ist nicht näher zu ermitteln. Die Ergebnisse der nach dem Krieg angestellten Untersuchungen lassen aber keinen Zweifel daran, daß zumindest einige höhere Funktionäre in die Vorgänge verwickelt waren (71) - und zwar schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt, wie aus der Schilderung eines Augenzeugen hervorgeht, der nach dem Bombardement in die Fuhrberger Straße zurückkehrte:
"Das erste, was wir also gesehen haben, wie wir dann wieder nach Hause kamen - der Qualm, der war ..., da brannte ja alles, also man kam in Riesenqualmwolken und auch immer wieder Explosionen, als wenn so Munition oder sowas in die Luft flog. ... Ich sah also von weither - erstmal auch Gewehrfeuer, Maschinenpistole, aber mehr so Einzelschüsse, mehr Einzelschüsse - sah also Männer in grau-blau gestreiften, breit gestreiften, Hosen und Jacken und solche randlosen auch aus dem gleichen Stoff -randlosen Mützen auf, die also wie die Hasen übers Feld jagten, aus diesem ... Wichmannschen eingezäunten Blumenaufzuchtgarten, will ich mal sagen. Da schossen die also 'rein, und dann - als wenn man so 'ne Hasenjagd macht - dann sausten da so sieben, acht oder auch [15] einzelne, manchmal ganze Trauben, sausten, also kamen aus diesen Hecken 'rausgebrochen, und, wie gesagt, die SS-Leute und auch SA-Leute, sag' ich, SA, ja, waren welche, also in Uniform, aber die hatten Deckelmützen auf, das waren also nicht so normale, sondern die, die nicht Soldat werden brauchten, irgendwelche Funktionsträger ... ,Goldfasane? sagten sie, glaub' ich, auch dazu. Die trugen also Armbinden, die immer wohl noch diesen ..., diese Armbinden noch mit so irgendwelchem Lorbeergold eingefaßt waren, also irgendwie höhere Tiere." (72)
Einem anderen Bericht zufolge waren mit Gewehren bewaffnete SA-Männer unterwegs, um ihre Kameraden zum Einsatz abzuholen (73).
Schnell gehandelt wurde auch in der Luftschutz-Befehlsstelle, die im Schloß untergebracht war. Gemäß einer drei Jahre später vor Gericht gemachten Aussage erschien hier ein junger Melder mit der Nachricht, daß ein Gefangenenzug auf dem Güterbahnhof durch Bomben getroffen sei und die Insassen sich in den Besitz von Waffen aus einem anderen Zug gebracht hätten und sich nun plündernd durch die Neustadt bewegten (74). Daraufhin wurde eine Gruppe von zwölf Polizisten unter Führung zweier Offiziere der SS zugeteilt, um dieser bei der Festnahme der Häftlinge zu helfen. Dies geschah unter der Maßgabe, daß zu erschießen sei, wer plündere, Widerstand leiste oder flüchte. Dementsprechend war das Vorgehen der Männer. Mehrere Zeugen beobachteten, wie sie zusammen mit der SS zwischen Waldweg und Fuhrberger Straße scheinbar wahllos Häftlinge niederschossen (75).
Von der Stadtverwaltung, Ortspolizei und Staatsanwaltschaft erfuhr, wie er sich einige Jahre nach den Ereignissen erinnerte, auch Generalmajor Tzschöckell in der von-Seeckt-Kaserne; daß ein Transport mit den Insassen eines verlegten Zuchthauses getroffen sei und daß die Überlebenden sich mit den Waffen der gefallenen oder geflohenen Wachmannschaft ausgerüstet hätten und in der Neustadt plünderten und Gewalttaten verübten (76). Deshalb sei ein Einschreiten zur Wiederherstellung der Ordnung und Sicherheit dringend notwendig. Dergestalt alarmiert, gab der General einem Hauptmann den Befehl, mit einer aus Versprengten und SS-Leuten (77) gebildeten Kompanie für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Dieses "Greifkommando", zu dem offenbar kurzerhand jeder beordert wurde, der als Soldat erkennbar war und sich gerade in der Nähe befand (78), sammelte sich an der Neustädter Schule (79). Es ist zu vermuten, daß es ähnliche Weisungen für den Waffengebrauch hatte wie die der SS zugeteilten Polizisten. Bis tief in die Nacht hinein hörte man auch in dem von ihm durchkämmten Gebiet Schüsse und die Schreie Getroffener. Gegen 24 Uhr erhielt Tzschöckell dann die Meldung, daß die überlebenden Häftlinge auf einem Sportplatz am Neustädter Holz zusammengetrieben worden seien, wo sie unter der Bewachung von Polizei und Hilfspolizei stünden (80).
Neben dem organisierten Einsatz von Sicherheitskräften kam es aber auch zu Aktionen von Personen, die hierzu anscheinend gar nicht aufgefordert waren. Dies gilt insbesondere für Zivilisten, die sich einzeln oder in kleinen Gruppen [16] Auf die Jagd nach Häftlingen machten und sich - späteren Zeugenaussagen zufolge - teilweise anschließend mit der Zahl der von ihnen Getöteten brüsteten (8l). Ob die vom Flugplatz Wietzenbruch kommenden, mit Pistolen bewaffneten Feuerwehrleute, die ebenfalls ohne zu zögern auf die Fliehenden schossen (82), einen entsprechenden Befehl besaßen, muß indessen dahingestellt bleiben.
Am Morgen des 9. April offenbarte sich das Ergebnis der nächtlichen Treibjagd. In den Straßen und Wegen zum Neustädter Holz hin, auf den Feldern und in den Gärten zwischen dem Eisenbahngelände, dem Waldweg und der Birkenstraße und im Neustädter Holz selbst lagen tote und sterbende Häftlinge (83). Organisiert von SS und Polizei, war mit dem Einsammeln der Leichen begonnen worden (84). Spätestens jetzt hatte auch der Celler Volkssturm an dem Geschehen teil (85). Kleine Trupps von Bewaffneten durchsuchten Häuser und Gärten, um versteckte Überlebende aufzuspüren, und dabei erhielt mancher der Überlebenden nun den "Gnadenschuß" (86). Ein damals l3jähriger berichtet, daß er einen Volkssturmmann und zwei SS-Leute begleitete, für die er Munition trug:
"Wir marschierten die Wittestraße hinunter und guckten hier und dort in die Büsche. Und da wurde gestöbert und da. Ich blieb natürlich immer auf dem Weg. So neugierig, wie ich war, genausoviel Schiß hatte ich auch, weil ich das ja am Vortag miterlebt hatte ... Es wurden da alle möglichen Sachen durchsucht, und wir kamen also an diese Senke 'ran, da wo heute der Minigolfplatz ist. Da war eine schöne Heidefläche. Es standen Kiefern darauf, sie standen da so lose zerstreut, sie waren etwa mannshoch, würde ich sagen. Es waren auch kleine Birkenbüsche dabei. Und jedenfalls sagte jemand: ,Es sind wohl alle tot.? Und wir gingen näher `ran, und einer dieser SS-Leute pflückte einen kleinen Birkenzweig von einer Birke ab und schlug ihn dem Toten, der vor ihm lag, ins Gesicht. Und da sah ich, daß sich bei dem Toten die Augenlider bewegten, die geschlossen waren. Also ein Zeichen, daß er noch nicht tot war. ... Der eine SS-Mann, der Volkssturmmann und ich, wir waren so etwa zweieinhalb Meter von diesem Mann weg, der andere SS-Mann stand seitlich. Er nahm den Karabiner 'runter, lud durch und schoß ihn in den Kopf, so daß die Gehirnmasse uns um die Ohren flog. Ich war in diesem Moment zu Tode erschrocken und auch erstarrt. Ich kann das gar nicht beschreiben, diese Sache. Und dann zogen die so weiter, um auch noch andere zu suchen. Da habe ich gesagt: ,Ich muß jetzt ganz schnell weiter.' Ich habe den Kasten fallen lassen, und barfuß bin ich durch den Wald nach Hause gelaufen." (87)
Aus dem Neustädter Holz, wo unter Beteiligung von Luftwaffen-Angehörigen aus Wietzenbruch die Verfolgung Entkommener fortgesetzt wurde, hörte man auch am 11. April noch Schüsses (88). Einer Anzahl von Häftlingen gelang es jedoch offenbar, sich bis zum Eintreffen alliierter Truppen verborgen zu halten oder sich zu diesen durchzuschlagen (89). Andere liefen Wehrmachts- und SS-Einheiten in die Arme, die an den Vorgängen in und bei Celle unbeteiligt waren, was in einigen Fällen sogar dazu führte, daß sie kurzerhand in die Uniform derbjeweiligen Truppe gesteckt wurden und daher bei Kriegsende die Insignien des Regimes trugen, dem sie all ihre Leiden zu verdanken hatten (90). [17] Nach der Schätzung von Betroffenen brachte man rund 1100 wiedereingefangene Häftlinge auf dem gewissermaßen als provisorisches KZ dienenden Sportplatz am Neustädter Holz zusammen (9l). Von diesen wurden ungefähr 30 - offenbar als Plünderer - zur Exekution bei den nahegelegenen Schießständen bestimmt. Etwa die Hälfte der übrigen setzte die SS zu Fuß nach Bergen-Belsen in Bewegung (93). Als Gewahrsam für die nicht Marschfähigen stellte Generalmajor Tzschöckell der Stadt die auf dem Gelände der Heidekaserne befindlichen Baracken zur Verfügung (94), die seit dem Abtransport der darin bislang untergebrachten Kriegsgefangenen leer standen (95). Dabei ersuchte der Standortälteste die verantwortlichen Stellen, das Kasernentor polizeilich bewachen zu lassen, damit Zusammenstöße der Bevölkerung mit den Häftlingen verhindert würden. Außerdem sollte die Stadt, wie Tzschöckell später berichtete, für die Verpflegung und ärztliche Betreuung der Gefangenen sorgen.
Diese letzte Anordnung wurde indessen entweder nicht wirklich gegeben oder aber nicht beziehungsweise nur höchst unzureichend befolgt. Jedenfalls stießen die britischen Truppen, die am 12. April Celle besetzten, in der Heidekaserne auf das, was ihr Chronist als "a Belsen in microcosm" beschrieb (96): einige hundert Tote und Sterbende, um die sich allem Anschein nach niemand gekümmert hatte und über deren Existenz sich die Bürger der Stadt völlig verblüfft zeigten. In der Absicht, dieser Ahnungslosigkeit abzuhelfen, zogen die Briten die Bevölkerung heran, um die Leichen fortzuschaffen und die Lebenden medizinisch und mit Lebensmitteln zu versorgen. Männer und Jugendliche von einem bestimmten Alter an mußten sich an der Stechbahn melden, wo man ihnen Sanitätstragen gab. Dann wurde ein Teil der verwundeten und entkräfteten Häftlinge zu dem Lazarett im Gebäude der Berufsschule in der Bahnhofstraße gebracht (97).
Nicht alle der um die 500 Gefangenen, die von Celle nach Bergen-Belsen abmarschiert waren, kamen dort auch an. Wer unterwegs nicht mehr weitergehen konnte, wurde auf der Stelle erschossen (98). Die anderen erreichten am Morgen des 10. Aprils das restlos überfüllte und von Hunger und Seuchen heimgesuchte Lager Belsen. Dort wurden auch sie endlich fünf Tage später befreit.
Viele Fragen bezüglich der Ereignisse in und bei Celle nach dem Luftangriff vom 8. April 1945 bleiben offen und werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch niemals erschöpfend beantworten lassen. Resümiert man die bekannten Fakten, so ergibt sich das Bild einer chaotischen, unübersichtlichen Situation, in der es zu einem Exzeß der Unmenschlichkeit kam. Dieses Phänomen läßt sich nicht einfach auf eine Befehlslage zurückführen, in der sich die Beteiligten befunden hätten. Eine ganze Reihe von Tätern handelte aus freien Stücken und eigenem Antrieb. Ebenso deutet aber auch die völlige Hemmungslosigkeit, mit der viele derjenigen vorgingen, die mehr oder weniger konkrete Einsatzweisungen erhalten hatten, auf Triebkräfte hin, deren Ursprung in einigen spezifischen Rahmenbedingungen zu suchen ist: Mehr als zwölf Jahre nationalsozialistischer Gewaltherrschaft und die Wirkung einer Propaganda, die alle Gegner des Regimes für minderwertig erklärte, hatten weithin das Unrechtsbewußtsein geschwächt. Ein langer und mit äußerster Grausamkeit geführter Krieg hatte den Tod zur Alltäglichkeit gemacht und die Bereitschaft erhöht, selbst zu töten. Das Näherrücken der Front, der abzusehende Zusammenbruch des Dritten Reiches und die damit verbundene Ungewißheit der Zukunft schließlich hatten - vor allem bei den Funktionsträgern der Partei und ihrer Formationen - eine Endzeit-Stimmung erzeugt, in der man disponiert war, noch einmal eigene Macht auszuspielen, ehe es damit vorbei sein würde.
Dennoch kam es in beträchtlichem Maße auf den einzelnen an, wie er sich verhielt. So stehen neben den zahlreichen Beispielen von Brutalität und Gefühllosigkeit auch solche des Mitleids und der Humanität. Es kam offenbar vor, daß verwundete Häftlinge von der Bevölkerung Erste Hilfe erhielten (100). Etwa zehn Opfer des Luftangriffs, als deren Herkunft ein KZ angegeben wurde, fanden nachweislich bereits am 8., 9. und 10. April Aufnahme im St.-Josef-Stift, ebenso einige verletzte Fremdarbeiter (101). Des weiteren ist bezeugt, daß ein Polizist, der zur Verfolgung der entflohenen Gefangenen eingesetzt war, einem von diesen auf dessen Bitte hin zu essen gab (102).
Alles in allem überwiegen jedoch die Akte der Barbarei so eindeutig, daß sie die Ereignisse jener Tage als das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Stadt Celle erscheinen lassen. Ähnliches geschah im Zusammenhang mit der Räumung von Konzentrationslagern bei Kriegsende auch andernorts - nirgends aber wohl in diesem Umfang und derart unmittelbar unter den Augen, ja unter der Beteiligung der Bevölkerung. Die Vorgänge von Celle können daher als exemplarisch für die Verrohung und Gewalttätigkeit betrachtet werden, die vom Nationalsozialismus ausgingen.
Schon bald nach ihrem Einmarsch nahmen die Briten Ermittlungen auf, um diese Vorgänge aufzuklären. Einige der Hauptbelasteten hatten sich anscheinend ihrer Verantwortung entzogen (103), doch schließlich wurden 14 ehemalige Wehrmachtsangehörige, Politische Leiter und Polizisten des Verbrechens gegen die Menschlichkeit angeklagt (104). Im Dezember 1947 begann daraufhin vor dem Einfachen Militärgericht in Celle der sogenannte KZ-Prozeß - auf englisch präziser als "Celle Massacre Trial" bezeichnet -, der im April und Mai des folgenden Jahres seine Fortsetzung vor dem Höheren Militärgericht zunächst in Hannoover und dann wiederum in Celle fand. Nun wurde auch beziffert, wieviele Menschen nach den Erkenntnissen der Untersuchungsbehörde bei der Treibjagd im April 1945 umgebracht worden waren, nämlich 200 bis 300. Eine Zahl ungefähr dieser Größenordnung ergibt sich auch, wenn man davon ausgeht, daß der Transport aus Drütte ursprünglich rund 4000 Personen umfaßt hatte, daß es bereits während der Fahrt Tote gegeben hatte, daß mindestens die Hälfte der in Celle eingetroffenen Gefangenen dem Bombenangriff zum Opfer gefallen war, daß ein Teil der Überlebenden entkommen konnte und daß etwa 1100 von ihnen wieder zusammengebracht wurden. Zu den Getöteten sind allerdings auch noch diejenigen Häftlinge hinzuzurechnen, die später aufgrund mangelnder Pflege in der Heidekaserne starben.
In seinem Schlußwort bescheinigte der Staatsanwalt allen Angeklagten, insofern schuldig zu sein, als es genüge, daß sie bei der Tat geholfen, ihr zugestimmt oder [19] / dabeigestanden hätten. Da das Beweismaterial jedoch nicht ausreichte, um jeden von ihnen eindeutig des Mordes oder der unmenschlichen Behandlung von Häftlingen zu überführen, kam es zu sieben Freisprüchen. Vier Angeklagte, die als "Beitäter" eingestuft wurden oder denen man zubilligte, unter Befehl gehandelt zu haben, erhielten Gefängnisstrafen zwischen vier und zehn Jahren, drei wurden zum Tode verurteilt.
In einer Revisionsverhandlung, die im August 1948 vor dem höchsten britischen Berufungsgericht in Herford stattfand, wurde eines der Todesurteile aufgehoben. Die beiden anderen wandelte der britische Militärgouverneur wenig später auf dem Gnadenwege in Haftstrafen von 15 beziehungsweise 20 Jahren Gefängnis um. Wegen guter Führung wurden alle schuldig Gesprochenen vorzeitig entlassen, die letzten zwei im Oktober 1952.

Anmerkungen

1) Hische, Erinnerungen an die Tage vom 8. bis 12. April 45.
2) Freeman, Seite 445~46. -Bei diesem Angriff wurde ein Zug getroffen, der ungarische Soldaten nach Bergen bringen sollte, wohin wegen des Nahens sowjetischer Truppen die Angehörigen der ungarischen Panzerschule in Retsag bei Budapest verlegt wurden. Etwa 140 der Zuginsassen fanden dabei den Tod. - Saft, Seite 68 und 160 bis 161.
3) Saft, Seite 70.
4) Schicksalstage in der Heide, 1. Fortsetzung.
5) Kobus.
6) Abgedruckt in der Celleschen Zeitung vom 9. April 1945.
7) Interview mit Bodo Grote vom 18. November 1988.
8) Interview mit Gerhard P. vom 14. November 1988.
9) Schicksalstage in der Heide, 1. Fortsetzung.
10) Hische, Erinnerungen an die Tage vom 8. bis 12. April 45.
11) Neben Sondershausen und Celle war Nienhagen das dritte Angriffsziel der Bomberverbände der 9th Air Force an diesem Tage. - Kriegstagebuch der 9. US-Luftflotte vom 8. April 1945. - Für die Verdmittlung dieser wichtigen Quelle ist der Verfasser Herrn Oberst Reiner Hudalla, Faßberg, und Herrn Helmut Rüggeberg, Celle, zu Dank verpflichtet. Auszugsweise ist sie im Anhang wiedergegeben.
12) Interview mit Gertrud Dempwolff vom 2. September 1988. - Interview mit Ingo Grothe vom 24. Oktober 1988.
13) Interview mit Karl Ziesenis vom 14. Dezember 1988.
14) Kobus.
15) Alle amtlichen Unterlagen des KZ Neuengamme wurden Ende Apri11945 verbrannt. Auch in den nach dem Kriege aufgebauten und vornehmlich die Berichte von Zeitzeugen umfassenden Archiven der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme für die Bundesrepublik e.V., der Amicale International Neuengamme, des Dokumentenhauses der Gedenkstätte Neuengamme, der Forschungsstelle für die Geschichte des Nationalsozialismus in Hamburg sowie des Arbeitskreises Stadtgeschichte e.V., Salzgitter befinden sich nur wenige Unterlagen, welche die hier besonders interessierenden Außenkommandos von Neuengamme und die Ereignisse in Celle am 8. April 1945 und den darauffolgenden Tagen betreffen. Dementsprechend knapp und ungenau ist die Darstellung dieser Vorgänge in der einschlägigen Literatur: Johe, Seite 25 und 26. - Suchowiak, Seite 105 bis 109. - Wysocki, Seite 107.
16) Wysocki. bes. Seite 57 his 109.
17) Bericht von Stane Tusar vom 6. März 1963.
18) Wysocki, Seite 95.
19) Ebd., Seite 97.
20) Dieses vom 19. März 1945 datierte Dokument ist abgedruckt in: Johe, Seite 76 bis 80.
21) Wysocki, Seite 107.
22) Ebd.
23) Undatierter Bericht von Otto Klünder. -Diese Beobachtung deckt sich mit dem Bericht eines ungenannten französischsprachigen Häftlings vom 11. Februar 1948, der dem Verfasser von der Forschungsstelle für die Geschichte des Nationalsozialismus in Hamburg mitgeteilt wurde. Darin ist davon die Rede, daß sich in Drütte zum Zeitpunkt der Evakuierung "environ 3500 bis 3700 prisonneurs homes et env. 1000 pris. femmes de l'Aussenkommando Salzgitter" befunden hätten. Hier scheint allerdings die Zahlenangabe bezüglich der weiblichen Gefangenen deutlich zu hoch gegriffen, denn am 25. März 1945 wurde die Belegungsstärke Salzgitters nur mit 472 Frauen gemeldet. - Johe, Seite 78.
24) Interview mit G. Kulongowski vom 16. Januar 1986. - Interview mit Karl Tucht vom 23. Juni 1986.
25) Johe, Seite 25 und 78.
26) Wysocki, Seite 109.
27) Johe, Seite 29 und 78.
28) Ebd., Seite 78.
29) Auf der Liste von Verletzten, die nach dem Luftangriff vom 8. April 1945 in das Celler St.-Josef-Stift eingeliefert wurden, ist auch eine Polin namens Helena Chudzikowska aus dem KZ Salzgitter verzeichnet. - StA Celle, 5 O 14, Nr. 5. - Aus Leinde stammten möglicherweise die sieben oder acht jüdischen Mädchen, denen Wilhelm Sommer nach dem Angriff begegnete. - Undatierter Bericht. - Interview vom 8. Juni 1989. - Auffallenderweise hat ansonsten kein aussagebereiter Zeuge in Celle auf dem Transportzug oder später unter den Häftlingen Frauen bemerkt. Dies läßt sich vielleicht damit erklären, daß die weiblichen gefangenen, anders als die Männer, offenbar in geschlossenen Gü- / [33] terwaggons gesperrt waren, aus denen sie sich ohne Hilfe von außen nicht befreien konnten (Interview mit Karl Tucht vom 23. Juni 1986), so daß die meisten von ihnen zur Unkenntlichkeit verbrannten oder von den Explosionen zerrissen wurden. Außerdem dürften aber auch die unförmige Häftlingskleidung und der schlechte körperliche Zustand der Gefangenen eine Unterscheidung der Geschlechter erschwert haben. - Kobus.
31) Interview mit Alfred Köhler vom 14. Februar 1989.
32) Interview mit Bärbel Hahn vom 10. Oktober 1988.
33) Der Aussage eines ehemaligen Häftlings vor dem britischen Höheren Militärgericht im Jahre 1948 zufolge handelte es sich hierbei um 150 Mann der Totenkopf-SS. - Deutsche Volkszeitung vom 4. Mai 1948. - Hinzu kamen offenbar noch SS-Frauen, denen die Bewachung der weiblichen Gefangenen oblag. - Interview mit Karl Tucht vom 23. Juni 1986.
34) Interview mit Bärbel Hahn vom 10. Oktober 1988. - Bericht eines ungenannten französischsprachigen Häftlings vom 11. Februar 1948. - An die Insassen des KZ Drütte waren vor der Abfahrt des Zuges noch Rote Beete aus SS-Vorräten ausgegeben worden. -Bluhm. - Die weiblichen Gefangenen dagegen scheinen längere Zeit nicht einmal Wasser bekommen zu haben. - Undatierter Bericht von Wilhelm Sommer.
35) Kobus. - Undatierter Bericht von Otto Klünder. - Bericht eines ungenannten französischsprachigen Häftlings vom 11. Februar 1948.
36) Kobus.
37) Interview mit Bodo Grote vom 18. November 1988. - Inverview mit Ingo Grothe vom 24. Oktober 1988. - Die Zeitangabe von ungefähr 17.45 Uhr erschließt sich aus dem Ablauf der folgenden Ereignisse.
38) Interview mit Ingo Grothe vom 24. Oktober 1988.
39) Kriegstagebuch der 9. US-Luftflotte vom 8. April 1945. - Aus dem Einsatzbericht der 322., der 344. und der 391. Bomb Group ergeben sich Zeit und Dauer des Angriffs mit absoluter Genauigkeit: Die "T.O.T's" (times over target) der in acht Wellen angreifenden Bomber fielen in den Abschnitt von 17.56 bis 19.04 Uhr (siehe Anhang II.e).
40) Dem Bericht eines der Häftlinge zufolge beförderte dieser Zug Truppen der Wlassow-Armee. - Interview mit G. Kulongowski vom 16. Januar 1986.
41) Undatierter Bericht von Otto Klünder.
42) Interview mit Ingo Grothe vom 24. Oktober 1988.
43) Kriegstagebuch der 9. US-Luftflotte vom 8. April 1945 (siehe Anhang II.d). Interview mit Ingo Grothe vom 24. Oktober 1988.
45) Kobus. - Überhaupt waren in Celle Schutzbauten nur in geringem Umfang ausgeführt worden. Sechster Verwaltungsbericht der Stadt Celle, Seite 79.
46) Interview mit Gertrud Dempwolff vom 2. September 1988. - Sechster Verwaltungsbericht der Stadt Celle, Seite 134 und 225.
47) Hische, Erinnerungen an die Tage vom 8. bis 12. April 45. - Daß es sich um diesen Bereich handelte, ergibt sich aus dem Einsatzbericht der 391. Bomb Group (Kriegstagebuch der 9. US-Luftflotte vom 8. April 1945, siehe Anhang, Seite 24):
"Bombardier did not bomb DMPI due to smoke in assigned area. Chose RR intersection about 2100 feet south of DMPI as MPI. ... 4 RR lines and one roadway cut, with hits on at least 6 residential type buildings."
48) Vgl. Anmerkung 39.
49) Linke
50) Interview mit Karl Ziesenis vom 14. Dezember 1988.
51) Interview mit Dr. Paul Kühling vom 16. September 1988.
52) Interview mit Ingo Grothe vom 24. Oktober 1988.
53) Kloss.
54) Sechster Verwaltungsbericht der Stadt Celle, Seite 113.
55) Ebd., Seite 225.
56) Diese Toten wurden in der Nähe und ohne alle Formalitäten beerdigt oder vielmehr verscharrt, sobald sich jemand darum kümmerte. An der Denickestraße diente beispielsweise ein großer Bombentrichter als Massengrab. - Undatierte Notiz von Stadtbürodirektor Sievers, StA Celle, 5 O 14, Nr. 9. - Kobus.
57) Kobus.
58) Bei aller gebotenen Vorsicht gegenüber den Erinnerungen von Augenzeugen kann man hiervon doch aufgrund der Berichte von Überlebenden ausgehen. Diejenigen, die sich zu der Zahl der bei dem Angriff umgekommenen Häftlinge äußerten, gaben an, es seien "mehr als 3000" (Aktennotiz des Stadtbürodirektors Sievers vom 3. Januar 1946, StA Celle, 5 O 14, Nr. 1), "Tausende" (Deutsche Volkszeitung vom 4. Mai 1948) beziehungsweise "die meisten oder viele" (Interview mit Karl Tucht vom 23. Juni 1986) gewesen.
59) Auch von den SS-Leuten soll bei dem Luftangriff die Hälfte ausgefallen sein. - Deutsche Volkszeitung vom 4. Mai 1948.
60) Interview mit Hans und Sophie Rüling vom 21. Dezember 1988.
61) Schicksalstage in der Heide. 3. Fortsetzung.
62) Interview mit Elisabeth Henschel vom 24. Oktober 1988. - Interview mit Wilhelm Sommer vom 8. Juni 1989. - Auch den Hitlerjungen, die bei den Aufräumungsarbeiten beim Güterbahnhof halfen, wurde von ihren Vorgesetzten gesagt, bei den Unbekannten handele es sich um Zuchthäusler, um die sie sich nicht zu kümmern hätten. - Interview mit Dr. Paul Kühling vom 16. Januar 1988. - Interview mit Gerhard P. vom 14. November 1988.
64) Interview mit Elisabeth Henschel vom 24. Oktober 1988.
65) Ebd.
66) Hannoverxche Presse vom 6. Dezember 1947.
67) Hinsche, Konzept eines Schreibens vom 8. April 1985. - Interview mit Hans und Sophie Röling vom 21. Dezember 1988.
68) Interviews mit Gertrud Dempwolff vom 9. Februar 1988, mit Bodo Grote vom 18. November 1988, mit Ingo Grothe vom 24. Oktober 1988 und mit Wilhelm Sommer vom 8. Juni 1989.
69) Undatierter Bericht von Wilhelm Sommer.
70) Interview mit Elisabeth Henschel vom 24. Oktober 1988.
71) Einige "Politische Leiter" hatten sich 1947/48 wegen des Verbrechens gegen die Menschlichkeit vor Gericht zu verantworten (vgl. Anmerkung 104). Der Prozeß warf dann auch ein Licht auf die Beteiligung weiterer örtlicher NS-Größen an dem Blutbad unter den KZ-Häftlingen. - Deutsche Volkszeitung vom 4. Dezember 1947 und vom 10. April 1948.
72) Interview mit Wilhelm Sommer vom 8. Juni 1989.
73) Interview mit Ingo Grothe vom 24. Oktober 1988.
74) Deutsche Volkszeitung vom 13. April 1948.
75) Deutsche Volkszeitung vom 9. Dezember 1947 und vom 15. April 1948. - Hannoversche Presse vom 17. Apil 19.18.
76) Schicksalstage in der Heide. 3. Fortsetzung.
77) Tzschöckell schreibt in diesem Zusammenhang von "SS-Leuten aus Wienhausen" (ebd.). Gemeint ist vermutlich die SS-Werfer-Lehrabteilung, die in Lachendorf stationiert war und deren Stärke ungefähr 100 Mann betrug. - Saft, Seite 69.
78) Schicksalstage in der Heide. 3. Fortsetzung. -Interview mit Gerhard P. vom 14. November 1988.
79) Hische. Konzept eines Schreibens vom 8. April 1985.
80) Schicksalstage in der Heide. 3. und 4. Fortsetzung. - Bei den "Hilfspolizisten", die der regulären Polizei bei der Bewachung der Sportanlage assistierten, hat man wohl an Parteifunktionäre und SA-Männer, vielleicht auch an Angehörige des Volkssturms zu denken.
81) Deutsche Volkszeitung vom 4. und 9. Dezember 1947 sowie vom 10. April 1948.
82) Deutsche Volkszeitung vom 9. Dezember 1947.
83) Hische, Konzept eines Schreibens vom 8. April 1985. - Interview mit Ingo Grothe vom 24. Oktober 1988. -Aber auch östlich der Bahnlinien bot sich offenbar dieser Anblick. So wurde mindestens ein toter Häftling in den Triftanlagen gesehen. - Mündliche Mitteilung von Dr. Frank Otten vom 31. Januar 1989.
84) Interview mit Wilhelm Sommer vom 8. Juni 1989.
85) Interview mit Alfred Köhler vom 14. Februar 1989.
86) Deutsche Volkszeitung vom 11. Dezember 1947 und vom 13. April 1948. - Hannoversche Presse vom 13. April 1948.
87) Undatierter Bericht von Wilhelm Sommer.
88) Interview mit Ingo Grothe vom 24. Oktober 1988. - Interview mit Wilhelm Sommer vom 8. Juni 1989.
89) Bericht von Bruno Paroll vom 17. Januar 1963. - Ein anderer Häftling berichtete, er sei nach mehreren Tagen, während derer er sich im Wald versteckt hatte, von Volkssturmmännern gefaßt und mit vielen seiner Kameraden in eine große Scheune gesperrt worden. Wiederum einige Tage später seien sie dort dann von kanadischen Soldaten befreit worden. -Komitee Dokumentationsstätte Drütte, Seite 5.
90) Undatierter Bericht von Otto Klünder. - Bluhm. - Interview mit Karl Tucht vom 23. Juni 1986. [35] /
91) Deutsche Volkszeitung vom 15. Apri1 1948. -Bericht eines ungenannten französischsprechenden Häftlings vom 11. Februar 1948.
92) Deutsche Volkszeitung vom 13. April 1948. - Der hierfür verantwortliche Polizeioffizier räumte drei Jahre später vor dem britischen Militärgericht ein, auf Veranlassung und unter dem Druck der SS den Schießbefehl gegeben zu haben. Diesem seien seine Männer aber nicht nachgekommen, sondern nur als die Gefangenen flüchteten, hätten einige geschossen und seien hinterhergelaufen. Dem standen allerdings die Aussagen ehemaliger Häftlinge gegenüber, denen zufolge tatsächlich Exekutionen vorgenommen wurden. - Deutsche Volkszeitung vom 4. Mai 1948. - Das Gericht fand den Angeklagten schuldig, billigte ihm aber Befehlszwang zu. - Deutsche Volkszeitung vom 15. Mai 1948. - Im Jahre 1968 schilderte Hans Bluhm den Vorgang aus seiner Erinnerung:
"So sahen wir auch ein Kommando von Polizei mit gezogener 08-Pistole herankommen und einfach zwischen unsere (!) Häftlinge tretend und ca. 20 Häftlinge abtrennend wegschiebend, einkeilend, und diesen befehlend, sich hinzulegen mit dem Gesicht zur Erde. So erhielten sie Genickschüsse. Das war unmittelbar neben mir. Dabei waren Russen, Tschechen, Polen und auch Deutsche. Auch waren zwei sowjetische Kriegsgefangene aus meiner Gruppe darunter, zwei Schuhmacher und ein grosser Zigeuner, Zigeuner-Otto (aus Hamburg), den ich noch gut aus dem Lager Drütte-Neuengamme kannte. ... Beinahe wäre ich zu den später Erschossenen hinzugekommen, wenn nicht SS-Sturmscharführer (!) Ehrenberg zur Polizei gesagt hätte: 'Dies ist kein Plünderer, das ist mein Bursche!'"
93) Bericht von Josef Magier vom 5. Februar 1961. - Bericht eines ungenannten französischsprechenden Häftlings vom 11. Februar 1948. - Interview mit Wilhelm Sommer vom 8. Juni 1989. - Bluhm.
94) Schicksalstage in der Heide, 4. Fortsetzung.
95) Schicksalstage in der Heide, 1. Fortsetzung.
96) Martin, Seite 309.
97) Interview mit Gerhard P. vom 14. November 1988.
98) Bericht von Josef Magier vom 5. Februar 1961. -Interview mit G. Kulongowski vom 16. Januar 1986.
99) Suchowiak, Seite 107.
100) Hannoversche Presse vom 22. April 1948.
101) StA Celle, 5 O 14, Nr. 3 und 5.
102) Deutsche Volkszeitung vom 4. Mai 1948.
103) So wird von einem Parteifunktionär, der mehrere Häftlinge erschossen haben soll, berichtet er habe vor dem Eintreffen der Briten gemeinsam mit seiner Frau im Neustädter Holz Selbstmord begangen. - Interview mit Wilhelm Sommer vom 8. Juni 1989. - Kein Hinweis fand sich dagegen auf den Verbleib jenes stellvertretenden Ortsgruppenleiters, dessen Name vor Gericht wiederholt im Zusammenhang mit der Ermordung von Häftlingen genannt wurde, der aber nicht unter den Angeklagten war. - Deutsche Volkszeitung vom 4. Dezember 1947 und vom 10. April 1948.
104) Nach Auskunft des Army Historical Branch des britischen Verteidigungsministeriums vom 28. Februar 1989 sind keine Akten der damals angestellten Untersuchungen und des darauffolgenden Prozesses der Öffentlichkeit zugänglich. Für diese Arbeit konnten daher nur die den Gang der Verhandlungen wiedergebenden Presseberichte herangezogen werden: Deutsche Volkszeitung vom 4., 6., 8. und 11. Dezember 1947; vom 10., 13., 15., 22., 24. und 29. April, vom 4. und 15. Mai vom 3. und 7. August sowie vom 29. September 1948. -Hannoversche Presse vom 6. Dezember 1947; vom 10., 13., 15., 17., 20., 22. und 30. April, vom 13., 15. und 22. Mai., vom 20. Juli, vom 7. August sowie vom 28. September 1948.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Ungedruckte Quellen

1. Stadtarchiv Celle
1.1. Aktenbestand StA Celle, 5 O 14: Fliegerangriff auf einen Zug mit politischcn Gefangenen auf dem Güterbahnhof in Celle am 8. April 1945.
1.2. Aufzeichnungen der vom Verfasser geführten Interviews
- Interview mit Gertrud Dempwolff vom 2. September 1988.
- Interview mit Bodo Grote vom 18. November 1988.
- Interview mit Ingo Grothe vom 24. Oktober. 1988.
- Interview mit Bärbel Hahn vom 10. Oktober 1988.
- Interview mit Elisabeth Henschel vom 24. Oktober 1988.
- Interview mit Alfred Kröhler vom 14. Februar 1989.
- Interview mit Dr. Paul Kühling vom 16. September 1988.
- Interview mit Gerhard P. vom 14. November 1988.
- Interview mit Hans und Sophie Röling vom 21. Dezember 1988.
- Interview mit Wilhelm Sommer vom 8. Juni 1989.
- Interview mit Karl Ziesenis vom 14. Dezember 1988.

1.3. Sonstige

- Bluhrn, Hans: Maschinenschriftliche Aufzeichnungen vom 1. April 1968.
- Hische, Günther: Erinnerungen an die Tage vom 8. bis 12. April 45, undatierte handschriftliche Aufzeichnungen.
- Hische, Günther: Konzept eines Schreibens an die Cellesche Zeitung vom 8. April 1945.
- Kloss, Egon: Der 8. April 1945. Großer Schrecken vor 44 Jahren, Typoskript (1989).
- Linke, Arnold: Maschinenschriftliche Aufzeichnungen vom März 1985.

2. Arbeitskreis Stadtgeschichte e.V., Salzgitter

- Interview mit G. Kulongowski vom 16. Januar 1986.
- Interview mit Karl Tucht vom 23. Juni 1986.

3. Deutscher Gewerkschaftsbund, Kreis Celle, Arbeitskreis "Grabe wo du stehst"

- Undatierter Bericht von Wilhelm Sommer. [37] /

4. Forschungsstelle für die Geschichte des Nationalsozialismus in Hamburg (FoSt-NS)

  • Bericht eines ungenannten Französisch sprechenden Häftlings vom 11. Februar 1948
  • Undatierter Bericht von Otto Klünder, FoSt-NS-13-6-24.
  • Bericht von Otto Klünder vom 30. August 1965.
  • Bericht von Josef Magier vom 5. Februar 1961.
  • Bericht von Bruno Paroll, Häftling Nr. 2965, vom 17. Januar 1963.
  • Bericht von Stane Tusar vom 6. März 1963, FoSt-NS-6-25.


5. Headquarters United States Air Force Historical Research Center, Maxwell Air Force Base, Alabama, USA

  • Kriegstagebuch der 9. US-Luftflotte vom 8. April 1945.


Zeitungen

  • Cellesche Zeitung (1945).
  • Deutsche Volkszeitung (1947-1948).
  • Hannoversche Presse (1947-1948).

Gedruckte Quellen und Darstellungen

  • Freeman, Roger A.: The Mighty Eighth War Diary, 3. Auflage, London 1986.
  • Johe, Werner: Neuengamme. Zur Geschichte der Konzentrationslager in Hamburg, 5., unveränd. Auflage, Hamburg 1986.
  • Kobus, Amadore: 8. April 1945 - Der Tag, an dem die Bomben fielen, in: Cellesche Zeitung vom 6. April 1985.
  • Komitee Dokumentationsstätte Drütte: Pressespiegel und Dokumentation Zur Forderung einer Gedenk- und Dokumentationsstätte im ehemaligen KZ Drütte, o. O., o. J.
  • Martin, H. G.: The History of the Fifteenth Scottish Divison 1939-1945, Edinburgh und London 1948.
  • Saft, Ulrich: Krieg in der Heimat. Das bittere Ende zwischen Weser und Elbe, Walsrode 1988.
  • Schicksalstage in der Heide, 1.-4. Fortsetzung, in: Hannoversche Presse vom 3. bis 6. Mai 1950.
  • Sechster Verwaltungsbericht der Stadt Celle für die Jahre 1926 bis 1955, Celle 1964.
  • Suchowiak, Bogdan: Mai 1945: Die Tragödie der Häftlinge von Neuengamme, Reinbek bei Hamburg 1985.
  • Wysocki, Gerd: Zwangsarbeit im Stahlkonzern. Salzgitter und die Reichswerke "Hermann Göring" 1937-1945, Braunschweig 1982. [38]

Monographie im Auftrag der Stadt Celle, 1989